Geschichte der Familie von Walthausen

Einige Auszüge aus dem Buch von Dr. Max Bär

(erschienen im August Lax Verlag 1929)

1. Welliehausen bei Hameln.

An der Einmündung des Flüßchens Hamel in den Weserstrom und an einem wichtigen Weserübergang gelegen, wurde die örtlich keit oder das alte Dorf Hameln schon früh Sitz einer von der Abtei Fulda gegründeten Missionsniederlassung, eines fuldischen Klosterhofes, der nach der fränkischen Erorberung des Landes in eine Stiftspropstei verwandelt an der Stelle der späteren Sankt-Bonifazius-Stiftskirche gelegen war. Aus der im 10. Jahrhundert errichteten Marktniederlassung hat sich dann auf dem umliegenden stiftischen Gelände und unter Einbeziehung einiger benachbarter markgenossenschaftlich mit ihr verbundener Dorffluren die spätere Stadt Hameln entwickelt. Im Widerstreit gegen grundherrliche, vogteiliche, bischöfliche und landesherrliche Gewalten hat sie ihre bürgerlichen Freiheiten und Rechte sich erwirkt in Verwaltung, Gericht und Münze und durch Erwerb eines eigenen Gebietes vor der Stadt. Im 16. Jahrhundert war diese städtische Entwicklung bereits abgeschlossen.

Einst gehörte die nachmalige Stadt nach Lage und Verfassung zur sogenannten Hameler Goe. Der Gograf der Goe auf der Hamel hatte seinen Sitz in Hilligsfeld. Noch 1328 war er in Hameln selbst tätig und setzte das Gericht mit dem herzoglichen Vogt. Das spätere Gericht in der Stadt war wohl eine Abspaltung und Fortbildung von dem alten Gogericht. Die "Goe auf der Hamel" oder das "Vest Hilligsfeld", ursprünglich größeren Umfanges und über die Weser hinausgreifend, umfaßte noch zu jener Zeit etwa ein Dutzend Dörfer: Afferde, Diedersen mit dem ausgegangenen Dader- sen, Behrensen, Rohrsen, Wehrbergen, Hilligsfeld, Hasperde, Hach- mühlen, Flegessen, Holtensen, Unsen und Welliehausen (1)

Unweit der Stadt Hameln am Hange des Süntels und auf dem Sattel zwischen zwei Tälern liegt das kleine Dorf Welliehausen, von dem wir Namen und Ursprung der Familie Weldihusen oder Weldinghausen, wie sie so oder ähnlich im 16. Jahrhundert wechselnd genannt wird, herzuleiten haben. Der Name ist ein Ortsname. Also haben sich die gleichnamigen Einwohner nach dem Orte benannt, nicht umgekehrt. Der Ortsname selbst aber, dessen älteste Form leider nicht überliefert ist, hat sich wie fast alle auf hausen endigenden Namen gebildet als eine Zusammensetzung mit einem Personennamen, mit dem Namen des ersten Eigentümers, Besitzers oder Besiedlers des Hofes oder der örtlichkeit. Der entsprechende Name Welting - vielleicht war es auch eine Amtsbezeichnung - erscheint schon im neunten Jahrhundert in Quellen des Klosters Fulda, das Christentum und Gesittung in das Weserland getragen hat. Der Name ist zurückzuführen auf einen Namen wie Waldahard (Walther), Waldaramnus (Walram), dessen erste Silben mit valdan, walten, herrschen, Gewalt haben zusammenhängen. Als gewaltig, mächtig, vornehm, einflußreich übertragen ihn die deutschen Wörterbücher. Er hat sich in der Form Weldige Jahrhunderte hindurch in diesen Gegenden erhalten. In Minden begegnen wir 1288 einem Dietrich Weldege, in Stadthagen 1291 einem Konrad de Weldegke und später den Namen Weldige und Welding, 1312 ist Ulricus Weldege Ratsherr in Lemgo und 1502 kommt ein Johann Weldige vor als Kirchherr in Großmunzel (2). Noch heute führt den Namen eine Familie de Weldige - Cremer in Dorsten (3). So wird ein Mann dieses Namens der erste Besiedeler oder der erste Beauftragte eines weltlichen oder geistlichen Herrn an dem Orte gewesen sein, dessen Name als Haus des Welding, als Weldinghausen, sich später Welliehausen gemodelt hat.

Der Ort Welliehausen wird zuerst genannt in einer in die Zeit von 1237 bis 1247 anzusetzenden, aber erst im 16. Jahrhundert abgeschriebenen Urkunde, in der eine Hufe zu "Welingehusen" als der Stiftskirche Sankt Bonifazius zu Hameln zugehörig aufgeführt wird. Das Stift hatte den größten Teil seines Besitzes aus der Fuldaer Begüterung in der Wesergegend erhalten. In der Fuldaer überlieferung hat sich der Ort Welliehausen nicht ermitteln lassen.

Die nächste Namhaftmachung findet sich in einer im 14.Jahrhundert abgeschriebenen Urkunde aus der Zeit von 1311 bis 1324, wo wiederum jene Hufe "Welingehusen" als zu den Einkünften der Hameler Stiftsherren gehörig bezeichnet wird (4). In beiden Fällen handelt es sich um eine umfangreiche Aufzählung des stiftischen Besitzes in der Hameler Goe und weit darüber hinaus. Dann liegt uns eine allein den Hof zu Welliehausen angehende Urkunde vor vom 14.April 1359. In ihr verpflichtet sich ein Knappe "Herman von Stelre" gegenüber dem Junker Otto Grafen von Eberstein, den Hof zu "Welingehusen" mit 2 Hufen, den er für 22 Mark dem Luder von Stochem verpfändet hat, innerhalb vier Jahren wieder einzulösen (5). Gegenüber der Dürftigkeit des Inhaltes der ersten beiden Nennungen können wir hier - vorausgesetzt, daß sich die Urkunde Oberhaupt auf unser Welliehausen und nicht etwa auf einen Hof desselben Namens im Kirchspiel Harderode bezieht - erkennen, daß es sich um den später als Vollmeierhof bezeichneten Hof handelt, da dieser etwa in der gleichen Größe bis zu der Zeit erscheint, wo er durch die Gemeinheitsteilung des 19. Jahrhunderts auf das Doppelte vergrößert worden ist. Nach der Urkunde ist damals der Graf Otto von Eberstein (1339-1373) Grundherr des Hofes gewesen, der ihn an den Knappen Herman von Steller, einer in und bei Hameln mehrfach genannten Familie angehörig, verlehnt hat. Steller hat nicht auf dem Hof gewohnt, sondern ihn anderweit verpfändet (6).

Endlich liegt, aber ohne Zeitangabe, in einer späteren Abschrift des 17. Jahrhunderts eine Niederschrift vor über die Bona et jura praepositurae ecclesiae s. Bonifacii in Hameln und an deren Schlusse in einer Aufstellung "Dit sind de hove litonum in den dorpen, de der kerken to Hameln horet" wiederum am Schlusse die Nennung der einen Hufe in "Welinghusen" (7).

Diesen im Gegensatz zu dem reichen Landbesitz des Stiftes in anderen Orten sehr geringen Hufenbesitz in Welliehausen und dem darnach zu vermutenden noch geringen Umfange des dortigen urbaren Landes entspricht es, daß der Ort dauernd als der kleinste sich verzeichnet findet. Noch 1633 hat er Oberhaupt nur 4 Häuser und auch 1721 nur 17 Feuerstellen, während Afferde 42 und Hilligsfeld 54 Feuerstellen zählten (8).

Das bäuerliche Besitzrecht in jener Wesergegend und zu der Zeit, von der ab wir den Ursprung der Familie verfolgen können, also im 16.Jahrhundert, gliederte sich in Meierrecht, Bauernlehn und Erbzinsgut. In einem Abschied zwischen Stift und Stadt Hameln vom Jahre 1590 heißt es, das Stift habe dreierlei Güter vor Hameln liegen: Mannlehne, Erbzinslehne und freie Meiergüter (9). Der Gliederung entsprachen die Klassen der Bauern: Ackerleute als Inhaber der großen Wirtschaftsbetriebe, Kötter als Inhaber von Hofstellen mit wenig oder ohne Land. Zwischen beiden stehen die Halbackerleute oder Halbspänner, die auf geteilten Ackerhöfen oder erweiterten Kotthöfen saßen. Die Häuslinge endlich und das Gesinde standen in den Dörfern außerhalb der Nachbarschaft, d.h. sie hatten keinen Teil an der gemeinen Mark. Später bildete sich in den Listen der ämter die Scheidung der ländlichen Bevölkerunsklassen noch genauer aus in Vollmeier, Halbmeier, Groß-, Mittel- und Kleinkötter, Beibauern, Brinksitzer, Hirten, Häuslinge und Leibzüchter.

Die Lasten und Dienste der ländlichen Bevölkerung waren erheblich, zumal seitdem die ämter darauf ausgingen, sie zu erhöhen. Aus dem Mittelalter hatten sich noch gewisse überreste ehemaliger Leibeigenschaft und Hörigkeit gewohnheitsmäßig erhalten. Wenn auch die Hörigkeitverfassung der Fronhöfe aufgelöst war, die Abgaben waren doch als dingliche Lasten geblieben. So auch die Abgaben, die der Untertan an den Gerichtsherrn oder an den Grundherrn für den Gerichtsschutz zahlte, Kornabgabe und Rauchhuhn. Ebenso die Abgaben bei Heirats- und Todesfällen. Die schwerste Reallast auf dem bäuerlichen Besitz war der Zehnte, der Frucht- und der Fleischzehnte. Karl der Große hatte nach Unterwerfung des Sachsenlandes den Zehnten als eine Abgabe an die Kirche eingeführt. Aber hier hatte sich im Laufe der Jahrhunderte ein großer Umschwung vollzogen. Im 16. Jahrhundert gehörte der Zehnte von allen Neurodungen dem Gerichtsherrn oder dem Grundherrn, in den meisten Fällen also dem Amte. Und der Adel hatte durch Belehnung oder Kauf vielfach die Dorfzehnten an sich gebracht. Die Zehntbesitzer, Fürst, Adel und Klöster, fuhren die Abgaben selbst in ihre Zehntscheuern ein oder sie verpachteten sie an die Dörfer oder an Unternehmer, oder an den zuständigen Amtmann oder Amtsschreiber. Die drückendste Last jedoch waren für den Bauernstand die Dienste. Sie wurden durch die ämter bei Ausgestaltung des Domänenbetriebes vom 16. Jahrhundert an zu erhöhen gesucht als Naturaldienste der Gerichtsuntertanen. Und hinzu traten schließlich die staatlichen Steuern: Landschatz, Scheffelschatz, Schafschatz, Bierakzise, Knechtegeld (10).

Über die bäuerlichen Dienste sind wir gerade bezüglich des Ortes Großmunzel, des späteren Wohnortes des Kanzlers von Walthausen, gut unterrichtet und zwar aus demselben Jahre, in dem der Kanzler seinen dortigen Grundbesitz erwarb. Auch der dortige Drost Ernst von Alten hatte die Dienste erhöht und auf die Beschwerden der Untertanen erließen die herzoglichen Räte am 30.Oktober 1568 einen Abschied und verordneten, daß die Einwohner des Gerichtes Munzel dem Drosten Dienstgeld zu geben und dazu jeder Meier und jeder Kötter jedes Jahr 12 Tage zu dienen schuldig sein sollten. Aber sie sollten an den 12 Tagen gekürzt werden, wenn die Meier außerhalb Landes Reise fahren und wenn die Kötter Briefe austragen müßten. Diese Bestimmung wurde 1572 bestätigt. Jeder Ackermann oder Meier soll jährlich nicht mehr als 12 Tage dienen, jeder Halbspänner 12 Tage und zwei Hofelinge zusammen auch 12 Tage mit den Pferden, ebenso die Kötter, die keine Pferde haben, auch 12 Tage mit ihrer Handarbeit und weiter jeder Haussitzender in der Ernte einen Tag. Bedarf der Drost jemandes Dienst in der Ernte nicht oder kann einer aus Schwachheit nicht kommen, so soll er sich von dem Dienst durch Zahlung von 4 Groschen befreien dürfen. Die Meier der Landsassen, des Adels und der Abtei Wunstorf sollen jährlich nur 8 Tage und einen Tag in der Ernte zu dienen schuldig sein, im übrigen aber mit dem Dienstgelde bis auf weiteres verschont bleiben (11).

Anmerkungen:
  1. Hameler Urkundenbuch I und II, Einleitungen von Meinardus und Fink; Schnath, G., Die Herrschaften Everstein, Homburg und Spiegelberg. Göttingen 1922.^
  2. St.-A. Hannover, Depositum Großmunzel Nr.7.^
  3. Heimatblätter für das Industriegebiet, Jahrgang 1920/21.^
  4. Urk.-Buch von Hameln 1 S.18 und 104.^
  5. St.-A. Hannover, Zelle Urk. Des.8 Nr.137.^
  6. Dieser Herman von Steller nahm 1353 an einem nach Hagenrecht niedergesetzten Gericht des Arnold Hake als Dingmann teil und erscheint 1366 im Gericht des Gografen zu Hilligsfeld, des Helmich von Hastenbeck, ebenfalls als Dingmann. Vgl. von Hake, Gesch. der Freiherren von Hake S.50 und St.-A. Hannover, Hannover Des.75, Hameln A Nr.8; Hameler U.-B. Bd.I.^
  7. St.-A. Hannover, Kopialbiicher III 95a.^
  8. Kal.Br.Des.2, Springe Nr.39 und Des.8 Hameln Nr.52 Stück 50.^
  9. Hann.Des.75, Stift Hameln A Nr.13.^
  10. Oehr, Ländliche Verhältnisse im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel im 16.Jahrhundert. Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd.12.^
  11. Kal.Br.Des.2 Blumenau Nr.25.^